Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.08.2013, Nr. 182, S. 17
Lloyd's hofft auf Hinweise zum Juwelenraub
Der Versicherer hat 1 Million Euro ausgelobt, um gestohlene Diamanten wiederzuerhalten. Teurer Schmuck lässt sich nur gegen Auflagen versichern.

pik. FRANKFURT, 7. August. Diamanten waren schon immer begehrt. Das hat sich auch in der Filmgeschichte niedergeschlagen. "Top Job - Diamantenraub in Rio" heißt einer der Filme, der Zuschauern den Atem stocken lässt. Vier skurrile Spezialisten knacken einen Banksafe, während auf den Straßen unter ihnen der Karneval tobt. Edward G. Robinson und Klaus Kinski sind in Hochform. "Raffiniert konstruiert und glänzend gespielt", lobt das Lexikon des Internationalen Films.

Müssen sich die Gauner in dem Film mit Infrarotsichtgeräten und einer speziellen Klettereinrichtung bis zum Tresor vorarbeiten, wählten die Diebe in Cannes jüngst einen anderen Weg. Mit Mütze und Schal vermummt und mit Pistole bewaffnet, sammelte ein Gangster 72 Exponate der Ausstellung "Extraordinary Diamonds" ein. Der Wert wird auf 103 Millionen Euro taxiert, bislang fehlt jede Spur. Der Versicherer Lloyd's lobte eine Belohnung von einer Million Euro für Hinweise aus (F.A.Z. vom 7. August). Ironie der (Film-)Geschichte: ebenfalls im Hotel Carlton drehte einst Alfred Hitchcock Szenen, in denen Cary Grant in "Über den Dächern von Nizza" einen geläuterten Juwelendieb spielt.

In der Versicherungswirtschaft sind solche Belohnungen durchaus üblich. Zum Teil sind entsprechende Klauseln schon in den Policen enthalten, ist in Kreisen des Lloyd's-Versicherungsmarktes zu hören. Zahlt man eine Million, hat man den Schaden um viele Millionen Euro gemindert, lautet die Logik im aktuellen Fall. Auch bei Kunstraub haben es die Diebe oft eher auf Lösegeld abgesehen, berichtet Bernd Ziegenrücker, geschäftsführender Gesellschafter des Berliner Spezialmaklers Artekuranz. Anders als Juwelen, die man zerteilen und einschmelzen kann, sind Kunstgegenstände keine Ware für den Schwarzmarkt. "Deshalb sind bei Schmuck die Sicherungsauflagen größer als bei Kunst", sagt Ziegenrücker. Auch die Prämien unterscheiden sich: Muss ein Kunstbesitzer für eine Police rund 0,2 bis 0,4 Prozent des Werts jährlich als Versicherungsprämie aufbringen, liegt sie bei Schmuck eher zwischen 0,7 und 0,8 Prozent der Versicherungssumme. Lässt sich der Verlust eines Gemäldes von Gerhard Richter im Wert von 2 Millionen Euro für 4800 Euro inklusive Versicherungsteuer decken, sind für gleich teuren Schmuck schon 17 000 bis 18 000 Euro fällig. Hinzu kommen Sicherungsauflagen, die deutlich höher als bei Kunstwerken sind. Das Trägerrisiko ist eingeschlossen - also die Gefahr, dass das Schmuckstück beim Tragen gestohlen wird.

Wenn sich Prominente bei Auftritten mit Juwelen schmücken, ist mit den Versicherern sogar vereinbart, dass ihnen das Sicherheitspersonal auf die Toilette folgen muss. Ein Richter-Gemälde ist anders als ein Diamant (weitgehend) zweifelsfrei identifizierbar, weshalb Kunst weniger Sicherung gegen Raub benötigt. In einem internationalen "Art Loss Register" sind alle gestohlenen Kunstwerke aufgelistet.

Von der sehr aktiven Räuberbande "Pink Panthers" ist überliefert, dass sie Juwelen in Sandwiches versteckt außer Landes bringt. Der Ursprung der Bande soll auf dem Balkan liegen; laut Interpol hat sie in zehn Jahren Schmuck im Wert von 330 Millionen Euro erbeutet. Anders als Kunstpolicen werden Deckungen für Valoren (Edelsteine, Schmuck) vor allem auf dem Londoner Markt gezeichnet, der über einzelne Syndikate organisiert ist. Wer also letztlich der Risikoträger für den in Cannes entwendeten Schmuck ist, lässt sich kaum herausfinden.

In Zeiten der Finanzkrise ist das Bewusstsein gestiegen, dass Wertgegenstände eine alternative Geldanlage sind. "Nach der Krise gab es einen deutlichen Prämienzuwachs durch Privatkunden", sagt Anette Schwarz, Kunstversicherungsexpertin der Gothaer, die ihren Angaben zufolge nach Axa Art und der Allianz einer der größten deutschen Kunstversicherer ist. Außerdem bieten Ergo, Uniqa, Hiscox und die Nationale Suisse Kunstdekkungen auf dem deutschen Markt an. Nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Museen sowie Ausstellungs- und Auktionshäuser verkaufen Versicherer Risikoschutz "vom Nagel bis zum Nagel" - sie zahlen also bei Verlust und Beschädigung auf dem Weg zum Ausstellungsraum. Ausgeschlossen sind Folgen von Kriegshandlungen, Terror, "schmutzigen Bomben" und Kernenergie. Weltweit sind Kunstwerke im Wert von knapp 50 Milliarden Euro versichert.

Für die meisten Deutschen dagegen sind Schmuck und Kunstgegenstände keine Geldanlage, sondern Gebrauchsgegenstände. Gegen Diebstahl, Einbruch und Vandalismus sind sie in der Regel über eine Hausratversicherung geschützt, wenn die Tatbestände zuverlässig nachgewiesen werden können. Einfache Policen entschädigen maximal 20 Prozent der Versicherungssumme bis höchstens 25 000 Euro. Werden die Wertgegenstände im Safe aufbewahrt, steigen die möglichen Versicherungssummen. Wer auch ihre Zerstörung, Beschädigung oder den Verlust versichern will, erhält Deckungsschutz gegen eine etwas höhere Prämie.
Bildunterschrift: Schmucker Ort für Schmuck: Aus dem Carlton wurden Diamanten gestohlen.
Foto Reuters
Alle Rechte vorbehalten © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main 
Vervielfältigungs- und Nutzungsrechte für F.A.Z.-Inhalte erwerben Sie auf www.faz-rechte.de